Gerade Oma und Opa hängen doch sehr an den Enkeln - und umgekehrt -, was häufig vergessen wird. Wie ist die Rechtslage? Haben Großeltern im Falle eines familiären Konfliktes einen Anspruch darauf ihre Enkel zu sehen?
Wir haben mit drei Mitbegründern der Bundesinitiative
Großeltern BIGE, den Eheleuten Erika und Günter Neumann sowie Rita Boegershausen,
gesprochen.
FOREVERyoung:
Frau Boegershausen, können Sie unseren Lesern kurz
erläutern, was unter dem Begriff: BIGE (Bundesinitiative Großeltern) zu
verstehen ist?
Frau Boegershausen:
Die BIGE ist ein Zusammenschluss von Großeltern, die
Schwierigkeiten haben den Kontakt zu ihren Enkelkindern aufrecht zu erhalten
oder ihre Enkelkinder überhaupt nicht mehr sehen dürfen.
FOREVERyoung: Wie
kommt es dazu?
Frau Boegershausen:
In den meisten Fällen sind familiäre
Konflikte sowie die Trennung der Eltern ausschlaggebender Grund dafür. Oftmals
verweigert der Elternteil, bei dem die Kinder leben, den Umgang mit den
Großeltern. Zumeist sind es die ehemaligen Schwiegereltern, die von diesem
Verbot betroffen sind.
FOREVERyoung:
Ist dieses so ein typisches Fallbeispiel nach der
Scheidung der Eltern: Mutter wohnt in der Nachbarstadt und lässt dann die
Eltern des Vaters die Enkel nicht mehr sehen?
Frau Boegershausen:
Ja, genau so ist es.
FOREVERyoung:
War das einer der Hauptgründe, warum
es zu der Gründung Ihrer Bundesinitiative kam?
Fam. Neumann:
Mein Mann und ich waren selbst kurzzeitig in der
Situation unsere Enkel nicht sehen zu können und hörten von einer Demonstration
zu diesem Thema in Düsseldorf, an der wir spontan teilgenommen haben.
Dort trafen wir andere Großeltern, die in ähnlichen
Situationen waren und führten mit ihnen gute, vertrauensvolle Gespräche.
Zuhause haben wir dann am Küchentisch gesessen und erst einmal geweint. Dann haben
wir den Kontakt zu den anderen ausgebaut. Als wir merkten, dass wir immer mehr
wurden, beschlossen wir etwas zu tun.
Die deutsche Presseagentur DPA wurde auf uns
aufmerksam und publizierte einen Bericht über Großeltern mit unseren
Problemen. Das brachte eine Lawine ins Rollen, da immer mehr Großeltern aus dem
gesamten Bundesgebiet zu uns Kontakt aufnahmen. Im Jahre 2002 gründeten wir
daraufhin in Frankfurt die BIGE.
Bei uns können sich seitdem alle betroffenen
Großeltern, die durch Trennung, Scheidung oder Tod des eigenen Kindes keinen
Kontakt mehr zu den Enkeln haben, aussprechen und mit anderen beraten. Wir
haben uns zum Ziel gesetzt, dass bundesweit die Cochemer Praxis eingeführt wird, da wir uns alle darin einig sind,
dass dadurch die Eskalation familiärer Probleme weitgehend vermieden werden
kann.
FOREVERyoung:
Erläutern Sie unseren FY-Lesern doch
den bitte Begriff Cochemer Praxis?
Fam. Neumann:
Cochemer Praxis ist, um es amtlich zu sagen,
interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Professionen, was in dem Ort Cochem an
der Mosel ins Leben gerufen wurde. Um es verständlich auszudrücken - da sitzen
das Familiengericht, das Jugendamt, Rechtsanwälte, freie Träger, Psychologen
und die Parteien zusammen an einem Tisch. Gemeinsam stellen sich die Beteiligten
der Aufgabe, Hindernisse aus dem Wege zu räumen und einvernehmlich Brücken für
eine Verständigung zu bauen. Das Ziel ist ein Miteinander vor dem Hintergrund,
dass die Kinder vor Schaden bewahrt werden und ihre berechtigten Interessen
über denen des Sorgerechtspflichtigen stehen müssen. Das ist die Arbeitsweise
der Cochemer Praxis.
FOREVERyoung:
Das bedeutet also, es gibt rein
juristisch kein Recht für Großeltern, ihre Enkelkinder zu sehen?
Fam. Neumann:
Nein, so ist es nicht. Im Gesetz ist zwar verankert,
dass wir ein Recht auf Umgang haben, allerdings hat das Kind kein Recht auf
Umgang mit uns. Das soll heißen, wenn es zu Streitigkeiten innerhalb der
Familie kommt, steht immer an erster Stelle das Wohl des Kindes. Zum Beispiel
führt ein dem Erziehungsberechtigten aufgezwungenes Umgangsrecht mit den
Großeltern in aller Regel zu seelischen Belastungen auf Seiten des Kindes, da
ihm dieser Konflikt nicht verborgen bleibt. Daher lässt sich dieses
Umgangsrecht im Grunde nicht so einfach durchdrücken.
Bei der Cochemer Praxis wird mit Mediation, also neutraler Bewertung und Beratung durch Dritte, kurzfristig auf diese Konflikte reagiert, so dass von vornherein Ärger vermieden wird.
FOREVERyoung:
Es hört sich gut an, dass Familiengerichte und
weitere Fachleute involviert sind. Funktioniert das denn auch?
Fam. Neumann:
Das funktioniert, und zwar bereits seit 1992. Etwa
seit 1998 können wir mit Stolz behaupten, dass wir nahezu 100%ige Erfolge
erzielen. 98% der Fälle konnten im gegenseitigen Einvernehmen gelöst werden.
Kein einziger Fall ist bisher in die zweite Instanz gegangen. Bei den
restlichen 2% handelt es sich um noch nicht abgeschlossene Fälle.
FOREVERyoung:
Cochrner Praxis - gibt es diese
Möglichkeit auch in NRW?
Fam. Neumann:
Nein, das ist Ländersache. Aber es soll bald so weit
sein - und genau dafür setzen wir uns mit aller Kraft ein. Hier in NRW,
speziell in Essen, wurde der Ruf nach einem Zusammenschluss der betroffenen
Großeltern immer lauter. Sie möchten sich austauschen und gegenseitig
Lebenshilfe durch Gespräch bieten sowie Ratschläge aus eigenen Erfahrungen
geben können. Daraufhin haben meine Frau und ich, zusammen mit einigen anderen
Betroffenen, beschlossen eine Initiative in Essen zu gründen, mit NRW als
erweitertem Raum. Das war vor etwa 1 1/2 Jahren. Dazu hatten wir den
Richter Rudolf eingeladen, den Leiter des Essener Jugendamtes sowie kirchliche
Vertreter. Der Gründungstag mit diesem Personenkreis war ein voller Erfolg. Es
wurde anschaulich dargestellt, wie die Cochemer Praxis arbeitet. Die positive
Resonanz darauf hat uns motiviert und ermutigt. Seither treffen wir uns jeden
3. Dienstag im Monat im Essener Hespertal, Gaststätte zum Hespertal,
Hammerstraße 44, Beginn 16.30 Uhr. Wir freuen uns über jeden, der sich uns
anschließen möchte.
FOREVERyoung:
Sicherlich ist das für Sie mit großem Aufwand
verbunden. Erhalten Sie von irgend einer Seite finanzielle Unterstützung?
Frau Boegershausen:
Nein, wir bekommen keinerlei Zuschüsse. Gern möchte
ich noch anmerken, weil Herr Neumann den Richter, Herrn Rudolf, erwähnt hat,
dass Herr Rudolf amtierender Richter in Cochem ist, der zu diesem Arbeitskreis
gehört und die Sache mit großem Engagement unterstützt hat.
FOREVERyoung:
Und Herr Rudolf unterstützt auch die
Essener Gruppe?
Frau Boegershausen:
Ja, er war da und brachte auch den Jugendamtleiter,
Herrn Renzel, mit, der ebenfalls von der Arbeitsweise der Cochemer Praxis
begeistert ist.
FOREVERyoung:
Diese Initiative besteht also letztendlich allein
durch ehrenamtliches Engagement?
Fam. Neumann:
Das ist richtig. Allerdings geht bei unseren Treffen
ein Körbchen herum, in das von den Teilnehmern freiwillige Beträge
hineingeworfen werden. Damit können wir dann die Kosten zum Beispiel für Porto,
Telefon etc. abdecken.
FOREVERyoung:
D. h., es gibt grundsätzlich die Möglichkeit, dass
jemand diese Initiative fördert? Oder sind Sie bereits ein Verein?
Frau Boegershausen:
Die Gründung eines Vereins ist bei
uns fest eingeplant, damit wir Sponsoren auch Spendenquittungen zukommen
lassen können.
FOREVERyoung:
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Haben Sie noch Fragen oder möchten sich zu diesem Thema
äußern, dann schreiben Sie uns:
FOREVERyoung, Heißener Str. 99, 45468 Mülheim, Stichwort: Großeltern.