Jetzt leiden sie wieder

Was die aktuellen Zahlen zur häuslichen Gewalt über die Forscherinnen aussagen - Debatte

von Gerhard Amendt*

Das Familienministerium hat seit Jahren ein Faible dafür, Fragen von Handgreiflichkeiten zwischen Partnern gerade von jenen Forscherinnen untersuchen zu lassen, deren Motive weniger aus eigener Erfahrung oder zumindest aus einer im wesentlichen anerkennenden Haltung gegenüber Männern stammen, sondern vielmehr von Abschätzigkeit gegen alles Männliche beherrscht scheinen. Diejenige, die sich Männer allen Ernstes nur als Gewalttäter ausmalen kann, wird in der Forschung nur noch den Wahrheitsbeweis für ihre Angstfantasien suchen. Ihre Ergebnisse geben der nachwachsenden Generation ein entsprechendes Bild der Beziehungen von Vater und Mutter. Nur wenig hat das allerdings mit dem gemein, was sich im gemeinsamen Alltag von Männern und Frauen ereignet. Nicht nur das Glück ist an die Beziehung gebunden, sondern ebenso das Unglück! Und zwar für beide Partner!

Weil sich das Familienministerium dieser Wahrheit nicht länger mehr verschließen kann, lässt es jetzt auch Erfahrungen von Männern mit Gewaltepisoden erforschen. Mutig wird nach solchen Episoden vor allem zwischen Männern außer Haus gesucht, ganz vorsichtig nur nach dem, was sich in Partnerschaften ereignet. Das fragwürdige Frauenprivileg auf den Opferstatus könnte schließlich Klientinnengruppen verschrecken. Dabei wissen wir doch - nicht erst aus meiner Scheidungsforschung mit 3600 Männern -, dass allein in der Scheidungskrise, sicher eine der schwersten im privaten Leben, 64,4 Prozent der vielfältig abgestuften psychischen und körperlichen Gewalthandlungen von der Partnerin ausgehen, 14,8 Prozent von beiden und 14 Prozent von den Männern. Und in 45 Prozent aller Fälle sind es nicht nur ein- oder zweimalige Entgleisungen, sondern längere Zeit währende Handgreiflichkeiten. Die Büchse der Pandora wird geöffnet und sichtbar wird - wie die ersten Ergebnisse zeigen -, dass es vielen Männern im privaten Bereich nicht viel anders als vielen Frauen ergeht, wenn die sprachliche Verständigung in sich zusammenstürzt.

Dass das Familienministerium sich solchen Problemen widmet, ist geboten, wenn der Staat beim Lösen von außergewöhnlichen Konflikten helfen kann. Ansonsten aber sollte er die Lebensgestaltung und die Konfliktlösung seinen Bürgern überlassen. Nur durch Forschung lässt sich sicherstellen, dass Probleme in ihrer Vielfalt verstanden und nicht nur wie bislang die Einfalt der Gewaltforscherinnen und ihren Partnerinnen im Familienministerium wiedergegeben wird. Allerdings entziehen sich beide der Kritik. Sie wollen die national wie international schwer wiegende Kritik an ihren Methoden und Datenmanipulationen nicht wahrhaben. Warum auch? Die Forscherinnen erhalten ihr Geld ohnehin vom Familienministerium mehr oder weniger auf Zuruf. Denn es ist die Übereinstimmung über das gewünschte Forschungsergebnis, die zur Auftragserteilung führt.

Einer "Betroffenengruppe" etwas Gutes zu tun, scheint deshalb diese "parteiliche" Forschung zu rechtfertigern, die an den Standards der Wissenschaftsgemeinschaft vorbeigeht. Dazu zählt auch die parteiliche Beratung, parteiliche Sozialpädagogik und Psychotherapie für so genannte Opfergruppen. Dazu wurde das Feindbild vom Mann und den Jungen entwickelt. Frauen sind deren Opfer und das Geschlechterarrangement im Übrigen - danach - ein nackter Gewaltzustand!

Parteiliche Forschung oder parteiliche Professionalität setzt die Ethiken der genannten Berufsgruppen außer Kraft. Das erklärt, warum viele "parteiliche Helferinnen" vom Zugang zu professionellen Berufsvereinigungen ausgeschlossen bleiben und Kommunen ihre Finanzklemme nutzen, sich solcher parteilichen Organisationen stillschweigend zu entledigen. Die jetzt vom Familienministerium vorgelegten Zahlen entsprechen dem, was politisch vorprogrammiert war. Viel Geld wurde zum Fenster hinausgeworfen, um die Ideologie der männlichen Gewalttätigkeit zu bestätigen.

Dass es Handgreiflichkeit zwischen Männern und Frauen gibt, ist von der Forschung belegt. Auch die Unterschiede zwischen ihnen sind erforscht. Fest steht, dass Männer wie Frauen sich gegenseitig nichts schenken und ebenbürtig beim Austeilen sind. Jeder kann das nachlesen. Das Ministerium und seine willfährigen Ideologiegenossinnen wollen hingegen verhindern, dass die ebenbürtige Verletzungspraxis von Frauen wie Männern öffentlich wird. Das würde die Etiketten von Gut und Böse und das beliebte Schema von "weiblichen Opfern und männlichen Tätern" infrage stellen. Aber wir müssen beide Partner einer Beziehung nach ihren handgreiflichen Erfahrungen befragen und wie es dazu gekommen ist. Gerade über die kulturellen und partnerschaftlichen Dynamiken, die seelische wie körperliche Handgreiflichkeiten auslösen, wissen wir wenig. Erst mit diesem Wissen lassen sie sich humanisieren.

Männer und Frauen müssen diese Forschung auch gemeinsam betreiben, damit keiner von ihnen in seine Klischees unwidersprochen abgleiten kann. Und letztlich müssen beide an das Gute im anderen glauben! Gespaltene Welten, wie sie das Familienministerium in Auftrag gibt, begünstigen lediglich den Unfrieden zwischen Männern und Frauen und den Generationen.

*Gerhard Amendt ist Professor am Institut für Geschlechter - und Generationenforschung in Bremen.

Artikel erschienen am Fr, 24. September 2004 in DIE WELT