"Menschen der Woche" in SWR3 am 25.6.05

Frank Elsner im Gespräch mit Frau Kelly und Herrn Rudolph

 

Dies ist ein von Rita Boegershausen zusammengefasster Ausschnitt aus o.a. Sendung

 

Herr Elsner fragte Herrn Rudolph, ob Frau Kelly, die ihren Enkel nicht sehen darf, zu helfen sei und ob Großeltern eine Chance haben, ihre Enkel zu sehen, wenn die Kinder das nicht möchten.

 

Herr Rudolph antwortete mit: "Ja, es ist vor allen Dingen wichtig dem Enkel zu helfen. Um den geht es nämlich in erster Linie, der verliert ja eine ganz wichtige Bezugsperson."

 

Dann führte er weiter aus, dass man es mit einer Situation zu tun hat, in der Erwachsene sich streiten. Dabei ist es eigentlich ganz ähnlich, wenn Eltern streiten und es spielt keine Rolle, ob das jetzt die Großeltern des Elternteils sind, der sozusagen aus dem Leben der Kinder raus geklickt wird. Dann fliegen die Großeltern auch mit raus.

 

"Diese Situation haben wir sehr oft, die Erwachsenen streiten sich und tragen dies auf dem Rücken der Kinder aus. Es gibt die Möglichkeit die Professionen zu beteiligen, wie das Jugendamt, von Frau Kelly schon angesprochen, das Familiengericht, die Sachverständigen, die Anwälte und auch die Beratungsstellen. Ein Netz, um die - ich nenne es mal Streithähne oder Streithennen - zu bilden mit dem Ziel, dass sie aus eigener Kraft den Streit beilegen können und wieder aus der Sicht der Kinder etwas unternehmen können. Sie müssen es lernen die Sichtweise dieses Enkels zu sehen, den ich nicht kenne, der aber jetzt seine Großeltern verloren hat, weil die Erwachsenen im Streit liegen. Das ist im Interesse des Kindes zu lösen.“

 

Herr Elsner sagte: "So, jetzt sagen Sie, das kann man lösen und Sie lösen es auch, man nennt das ganze das Cochemer Modell, d. h. sie setzen alle Beteiligten an einen Tisch?"

 

Herr Rudolph beantwortete dies mit einem: "Ja."

 

Herr Elsner wandte darauf hin ein, das hier (in dem Fall Kelly) die zwei Personen nicht an den Tisch wollen und fragte dann: "Kann man die dazu zwingen?"

Daraufhin beantwortete

 

Herr Rudolph beantwortete dies mit "ja", und sagte, dass man das erreichen kann, wie es auch bei streitenden Elternteilen sei, die auch nicht das Gleiche wollen. Es spielen sehr oft große Verletzungen eine Rolle und er wisse auch nicht, was jetzt in der Situation zwischen Frau Kelly und ihrer Tochter passiert ist.

 

"Wenn wir die Tochter jetzt hier hätten, würde sie Gründe nennen. Man muss die Menschen dazu hören und sie auch ernst nehmen. Sie sind aber auf Grund des Streites und der Verletzungen, den die beiden erlitten haben, nicht mehr in der Lage, das Problem aus eigener Kraft zu lösen. Das können die Professionen machen, z.B. das Familiengericht zu bitten sofort und sehr schnell einen Termin innerhalb von 2 Wochen zu machen. Es müssen die anderen beteiligten Professionen in dieses Konzept eingebunden werden. Das haben wir in Cochem gemacht und dabei eine Zielvereinbarung geschlossen: Wir haben gesagt, unser Ziel ist es in unserer Arbeit, egal aus welcher Profession wir kommen, den Kindern den Kontakt zu beiden Eltern, wie sehr sie auch streiten, zu erhalten. Ebenso wenn es um die Großeltern geht, die häufig auch mitbetroffen sind, die für die Kinder in ihrem Leben eine große Rolle gespielt haben. Besonders hier in diesem Fall hat das Kind über 9 Jahre bei den Großeltern gelebt. Das kann man erreichen, indem sich der Ring dieser Professionen um die Eltern schließt, dem sie nicht ausweichen können."

 

Herr Elsner meinte dann "... dass dieser Weg eigentlich auch ein Weg ist, der Elternteilen hilft Geld zu sparen, denn man geht zu einem Richter, man kann sich fast den eigenen Anwalt sparen und Sie sorgen dafür, dass die Parteien dann alle Probleme auf den Tisch legen. Dann wird fokussiert, was ist das Problem des Kindes ist und dann sucht man eine Lösung, die für das Kind das Beste ist und nicht für irgendeinen Erwachsenen.“

 

"Richtig", sagte Herr Rudolph. "Die Erwachsenen glauben übrigens selber in ihrer Streitsituation, sie wüssten was das Beste für ihre Kinder ist. Wie auch hier in diesem Fall sind sie davon überzeugt. Wir versuchen die Kinderperspektive zum Maßstab zu machen und die Sichtweise der Kinder zu erfahren. Viele Erwachsene wissen überhaupt gar nicht, was mit ihren Kindern passiert. Wenn diese Kinder auch später beim Sachverständigengutachten oder bei einer richterlichen Anhörung sagen, dass sie keinen Kontakt mit dem Vater, der Mutter oder wie hier mit der Großmutter haben wollen, dann sind das Dinge, die aus einer Überlebensstrategie heraus geboren sind. Die Kinder sind mittendrin in einem Loyalitätskonflikt und die Erwachsenen lassen diese Kinder auch in diesem Loyalitätskonflikt. Jetzt haben sie schon einen verloren und möchten den anderen nicht auch noch verlieren und loyalisieren sich mit ihm, identifizieren sich mit ihm und sagen: Nein, ich will nicht mehr mit dem Kontakt haben. Obgleich sie 8 oder 9 Jahre dort gelebt haben. Das sind die Sichtweisen der Kinder und das ist schwer an die streitenden Erwachsenen zu vermitteln."

 

"Das geht aber in diesem Konzept der Cochemer Praxis.  Wir machen einen Termin, die müssen kommen, mit allen Professionen - das hatte ich vorab schon ausgeführt - die sich verpflichtet haben in dieser Arbeitsweise mitzuwirken. Das gilt auch für die Anwälte, die immer ein schlechtes Klischee abbekommen, obwohl sie eine der aufgeschlossensten Professionen sind, wenn man sie denn in diesem Konzept arbeiten lässt. Wir möchten eine Situation haben, in der es den Kindern wieder gut geht. Das spielt eine Rolle, denn wenn es den Kindern wieder gut geht, haben wir festgestellt, dann geht es den Erwachsenen auch wieder gut. D.h. es müssen vertrauensbildende Maßnahmen geschaffen werden. Wir zwingen sie an einen Tisch, das ist wichtig, denn wenn ein Gericht einen Termin bestimmt, müssen die Eltern kommen. Das kann man durchsetzen. In diesem Falle wären es Mutter und Großeltern oder auch andere Beteiligte, die eine wichtige Rolle spielen, wie hier z. B. der Lebenspartner der Tochter. Wir verlangen von ihnen, dass sie an diesem Konzept mitarbeiten, dass sie sich zusammensetzen und wieder miteinander sprechen, weil wir sonst ihre elterliche Sorge zur Disposition stellen."

 

"Sie müssen mir jetzt helfen" sagte Herr Elsner. "Wir, das ist jetzt das Modell Cochem, aber was macht jetzt einer der Zuhause zuguckt, die können doch nicht alle nach Cochem kommen, sonst haben sie ja zuviel zu tun?"

 

Herr Rudolph erwähnte, dass es ein ganz erfreuliches Phänomen gibt, dass nämlich ihre Arbeit von vielen Professionen mittlerweile sehr abgefragt wird.

"In der herkömmlichen Arbeitsweise werden sogenannte diagnostische Gutachten eingeholt, die feststellen, wer der bessere Mensch ist. Das ist aus der Sicht der Kinder eine abenteuerliche Fragestellung. Die Kinder haben nun mal die zwei Eltern oder haben diese Großmutter, die stellen sich diese Frage gar nicht, die möchten Kontakt haben. Wir sagen, solche Gutachten holen wir nicht mehr ein, sondern wir arbeiten mit lösungsorientiert arbeitenden Sachverständigen. Das wird zunehmend im Bundesgebiet abgefragt, das ist nicht nur bei uns so und deshalb sind wir z.Zt. auch sehr viel unterwegs und bilden Leute in den Professionen aus und sagen ihnen. ihr könnt so arbeiten. um diese Ziele sehr schnell zu erreichen."

 

Herr Elsner fragte dann noch, was Herr Rudolph Frau Kelly mit auf den Weg gibt, worauf er folgendes sagte:

 

"Frau Kelly sollte erreichen, dass sie ein Gerichtsverfahren in Gang setzt oder wenn sie das schon getan hat. dass sie einen Sachverständigen erreicht durch die Intervention des Gerichtes und der selbst intervenistisch, d.h. lösungsorientiert arbeitet. Indem der Sachverständige mit dem Richter, den Anwälten und dem Jugendamt im Rücken in der Lage ist, den Kontakt zwischen der Mutter und ihrer Tochter wieder herzustellen und damit den Enkel aus dieser Falle herauszuholen, in der er sich gerade befindet.