Ich möchte doch nur zur Oma!

Schlimm für Großeltern, wenn sich Kinder scheiden lassen. Schlimmer, wenn sie auch noch den Kontakt zu den Enkeln verlieren. Was tun?

Ein kleiner Puppenwagen mit rot-weiß kariertem Kissen steht verlassen im Wohnzimmer, eine unbenutzte Schaukel wartet im Garten vergeblich auf Kinderbesuch, ein Stapel bunter Bilderbücher fristet im Bücherregal ein trauriges Dasein ... Spuren der Enkelkinder. Für viele Großeltern ein trauriger Anblick, wenn sie kaum noch Kontakt zu ihnen haben. Nicht selten haben Eltern, Kinder und Großeltern früher zusammengewohnt – zumindest am gleichen Ort oder nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Oftmals hatten die Großeltern ein besonders herzliches Verhältnis zu ihren Enkeln. Sie haben sie betreut, während Papa und Mama zur Arbeit gingen. Sie sind mit ihnen in den Zoo gegangen, haben ihnen Bücher vorgelesen, zusammen gespielt. Doch dann kam der Bruch. Die Ehe des Sohnes ist gescheitert, die Schwiegertochter hat ihn verlassen. Und die Kinder mitgenommen. Insgesamt sind in Deutschland jedes Jahr rund 350 000 Kinder von der Trennung ihrer Eltern betroffen. Eine geschätzte Zahl, denn nur Ehescheidungen werden registriert, nicht aber Trennungen von Eltern, die unverheiratet zusammenleben. Von einer Ehescheidung sind etwa 150 000 Kinder pro Jahr betroffen.

 

Großeltern haben ein Recht auf ihre Enkel

Natürlich müssen nicht alle diese Kinder nach der Trennung der Eltern auf ihre Großeltern verzichten. Vielen Frauen und Männern gelingt es, weiterhin Vater und Mutter zu bleiben, die Trennung ohne Hass und Rachegefühle über die Bühne zu bringen. Dann behalten die Kinder auch ihre Großeltern, die so wichtig sind, dass das neue Kindschaftsrecht sogar ein Umgangsrecht für sie vorsieht. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Umgang gut für die Kinder ist – also dem Kindeswohl dient, wie es im Amtsdeutsch heißt. Natürlich klappt eine so einvernehmliche Trennung nicht immer. Starke Gefühle, Beleidigungen, seelische Verletzungen führen oft zu harten Fronten, die alle Vermittlungsversuche scheitern lassen. Der Umgang des Vaters mit seinen Kindern wird dann auf ein Minimum beschränkt, für seine Eltern, die Großeltern sollen am besten überhaupt keine Beziehungskrümel mehr übrig bleiben. Das ist sehr bitter für Oma und Opa – neues Kindschaftsrecht hin oder her. Aber was können enttäuschte Großeltern tun, um wieder an ihre Enkel heranzukommen? Wie kommen Enkelkinder wieder in den Genuss aller Omas und Opas?

 

Was Oma und Opa tun können

„Brücken bauen, statt Öl ins Feuer kippen“, rät Rita Boegershausen, 67, Mitbegründerin und Sprecherin der „Bundesinitiative Großeltern“ BIGE (siehe Kasten). Natürlich können Großeltern ihr Umgangsrecht auch vor Gericht einklagen. Doch das will sehr gut überlegt sein. Denn schließlich geht es dabei nicht in erster Linie um die Bedürfnisse von Oma und Opa, sondern einzig und allein um das Wohl des Kindes. Es ist schwer zu beweisen, dass die Kinder viel davon haben, wenn sich Mutter und Großeltern hassen und die Kleinen gegeneinander aufhetzen. Brücken bauen ist jedoch gar nicht so einfach, wie Rita Boegershausen weiß. Insbesondere, wenn die Beziehung schon verhärtet ist. „Viele Großeltern müssen erst wieder lernen, das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Sprüche wie ‚dann kommst du mal wieder zu deiner richtigen Oma‘ sind einem vertrauensvollen Umgang miteinander nicht förderlich. Liebe ist geben, nicht nehmen.“ Und, so meint Rita Boegershausen: „Eltern brauchen gerade in einer Trennungssituation Hilfe und keine Konfrontation. Das ist sicher nicht einfach, wenn man schon jede Menge Kränkungen verarbeiten muss. Aber um der Kinder willen kann es für Großeltern sehr wichtig sein, sich beraten und ein wenig schulen zu lassen.“ Rita Boegershausen macht von Anfang an allen Großeltern klar, dass sie sie nicht bei einem Streit unterstützen wird. „Vielmehr versuche ich, Verständnis zu wecken und mit konkretem Wissen weiterzuhelfen.“ Eine hilfreiche Anlaufadresse für betroffene Omas und Opas ist sicher die Großeltern-Initiative – ein Zusammenschluss betroffener Großmütter und Großväter, die ihre Erfahrungen gern weitergeben, die auf Hürden aufmerksam machen, die aber auch ihre Rechte und die Bedürfnisse der Kinder kennen. Oft müssen die betroffenen Großeltern versuchen, die bereits aufgebauten Feindbilder gegen ihre Familie vorsichtig wieder abzubauen. Das geht leichter, wenn man sich immer wieder die Situation aus der Sicht der Kinder anschaut: Kinder wollen Vater und Mutter lieben und sich bei allen Großeltern geborgen fühlen. Sie verstehen meist nicht, warum sich Mama und Papa nicht mehr vertragen und warum sie nicht mehr zu ihren Großeltern dürfen. Sie sind unendlich traurig. „Das macht krank“, sagt Rita Boegershausen. „Nicht nur die Kinder, auch die Großeltern leiden seelisch oft so stark, dass sie körperlich erkranken.“ Alle Beteiligten eines Trennungsstreits müssen zusammenarbeiten, wenn menschliche und vernünftige Ergebnisse für alle erzielt werden sollen. Das gilt nicht nur für Mann und Frau, sondern auch für alle professionell Beteiligten: Anwälte, Richter, Beratungsstellen, Gutachter usw. Diese Praxis, an die sich alle erst mühsam gewöhnen mussten, ist so erfolgreich, dass heute beinahe 100 Prozent der auf diese Weise getrennten Paare sich danach gemeinsam um ihre Kinder kümmern. Keine Frage, dass dabei Großeltern nicht ausgeschlossen werden.

 

Gerda Pighin  

 

Quelle: "stadtgottes", Familienzeitschrift der Steyler Missionare, Heft 1 - 2011