Eine Chance für alle
WAZ-Interview mit Sozialdezernent Holger Richter über die Cochemer Praxis

 

Das Cochemer Modell in Vel­bert. Über die Chancen und Möglichkeiten, die es bietet, und die Umsetzung auf kom­munaler Ebene sprach WAZ­-Redakteurin Ellen Wieder­stein mit Sozial-Dezernent Holger Richter.

 

Was ist das Positive am Co­chemer Modell?

Holger Richter: Die Chance, dass im Sinne des Kindes ein gangbarer Weg, eine gute, ein­vernehmliche Lösung gefun­den wird. Und damit auch für das Umfeld des Kindes, zum Beispiel für die Großeltern.

 

Kann das Modell ohne ent­sprechendes Landesgesetz auch in Velbert angewandt und umgesetzt werden?

Holger Richter: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn man die Vorteile des Modells erkennt und alle an einem sol­chen Verfahren Beteiligten an einem runden Tisch zusammenkomme, kann man eine konkret für Velbert gestrickte Lösung erarbeiten.

 

Wer würde an einen solchen runden Tisch gehören?

Holger Richter: Das Familiengericht, das Jugendamt im Verbund mit den Stadtteilzentren und die Kooperations-Vertragspartner, bestehend aus Ehe- und Lebensberatung, schulpsychologischer Beratungsstelle, Zinnober und Erziehungsberatunsstelle. Einbezogen werden sollten auch Rechtsanwälte, entsprechende Sachverständige und sicher auch Betroffene wie. z. B. die Großelterninitiative. Alle gemeinsam können dann ausloten, inwieweit das Cochemer Modell für Velbert einen Weg bietet.

Wie könnte die praktische Umsetzung des Modells ausse­hen?

Holger Richter: Das erste Ziel ist ja, dass das Gericht im Scheidungsverfahren beiden Eltern das Sorgerecht zuspricht, also ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder zwischen den ehemaligen Eheleuten zugrunde liegt. Dann können auch Stadtteilzentren aktiv das Kind und die Elternteile unterstützen.

 

Wie schätzen Sie als Sozialde­zernent die Situation ein? Ist die Anwendung des Modells in Velbert überhaupt nötig?

Holger Richter: Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Vel­bert alle Scheidungsfälle - und das damit verbundenes Sorge­recht – immer glatt laufen. Das kann man auch wohl kaum an Zahlen festmachen. Und wenn nur ein Fall - im Sinne des Kindes - erfolgreich gelöst wird, haben sich Anwendung und Umsetzung schon ge­lohnt.

 

Bringt das Modell Mehrarbeit und höheren Aufwand mit sich?

Holger Richter: Am Anfang mag das Modell Mehrarbeit und Aufwand kosten - wie al­les, was neu ist. Und wenn sich das Modell etabliert hat, kann es ein Selbstläufer sein.

 

Bedeutet das Modell einen zu­sätzlichen Kostenaufwand?

 

Holger Richter: Den sehe ich nicht.

 

Muss vom Justizministerium oder sonst einer juristischen Instanz die Umsetzung des Modells auf lokaler Ebene genehmigt werden?

Holger Richter: Ich denke, wenn sich alle Beteiligten in einem Arbeitskreis zusammenfinden und so gemeinsam das Modell umsetzen, kann niemand was dagegen haben.