Verantwortung statt Gewalt

Familienrichter Rudolph über Cochemer Praxis

Das zweite Treffen nach der Gründung der NRW-Gruppe des Bundesverbandes der Großeltern (BIGE) mobilisierte noch mehr Zuhörer. In die Gästeliste im Hespertal trugen sich auch Regionalpolitiker und Vertreter der Kirche ein.

Familienrichter Jürgen Rudolph aus Cochem informierte anschaulich über seine unkonventionellen Wege. Er sah Licht auf Bundesebene. Doch die neuen Gesetze brauchten noch Zeit: „Vielleicht können wir den §1671 BGB, der die elterliche Sorge behandelt, in Zukunft neu fassen.“

Enttäuscht zeigten sich die Zuhörer über die Wartezeit bis dahin. Der Jurist betonte, dass die lebenslange Verantwortung für ein Kind auf beide Elternteile gleichermaßen verteilt bleiben solle. Dazu trügen seine kurzfristigen Anhörungstermine in Kindschaftssachen bei.

Unter Druck setzte er damit verzögerungswillige Eltern und das Jugendamt, das sich einen taufrischen Eindruck erwerben müsse. Doch dieser Grundsatz fordert seinen Preis. Deutlich länger warten müssen bei ihm Entscheidungen über Güter und Versorgung.

Auskommen muss er selbst mit deutlich weniger Personal als die Gerichte der Berufungsinstanz. Der Gastredner fand dies unverständlich: Ein Überquellen in die Berufung könnte mit einer besser ausgestatteten Erstinstanz vermieden werden.

Trotz unterschiedlicher Standpunkte herrscht in Cochem scheinbar Einvernehmen. Ohne ihre Standpunkte aufzugeben, haben Rechtsanwälte und Familiengericht das Verfahren vereinfacht. Beispielsweise werden während der Zeit des getrennt lebens die Kinder nicht mehr wie eine Sache verteilt. Die Anwälte stellen keinen routinemäßigen Antrag, die elterliche Sorge auf ihren Mandanten zu übertragen. Damit verzichteten sie ausdrücklich nicht auf ihre Aufgabe, ihrem Mandanten Vorteile erstreiten zu wollen. Um Schriftkram zu vermeiden, erstattet das Jugendamt nur mündlich Bericht; und der gegnerische Anwalt stellt seine Gegenanträge im Verhandlungstermin am Runden Tisch.

Der neue Weg führt langsam von der ehemaligen „elterlichen Gewalt“ und heutigen „elterlichen Sorge“ zur „elterlichen Verantwortung“, bei der es unerheblich wird, wo sich das Kind meistens aufhält. In diesem vernünftigen Kielwasser würden sich auch für die Großeltern die Wogen glätten. Die würden sie lieber im Auf und Ab der Entwicklung ihrer Enkel sehen.

Doch im Tauziehen um die Macht bei der Kindeserziehung würden sie bisher häufig in Beibooten ebenso isoliert wie hilflos ausgesetzt, klagt die Initiative.

baum-