Elisabeth Schmidt, Rechtsanwältin, Mediatorin, Verfahrenspflegerin, Berlin

Jennifer Raupach, Rechtsanwältin, Mediatorin, Barsinghausen

 

Verhaltenskodex für im Familienrecht tätige Rechtsanwälte*

 

Präambel

Das Familienrecht stellt an den Anwalt aufgrund der komplexen psychologischen Dynamik einer jeden einzelnen (Trennungs-) Familie besondere Anforderungen. Bei Familien mit minderjährigen Kindern sind deren wohlverstandene Interessen vorrangig zu beachten.

 

Allgemeines

1.1.

Der Anwalt wird seine Beratungen, Verhandlungen und seine Verfahrensführung so gestalten, daß die Beteiligten ermutigt und darin unterstützt werden, ihre Meinungsverschiedenheiten auszuräumen.

1.2.

Der Anwalt wird der Auffassung den Vorrang geben, dass eine familienrechtliche Auseinandersetzung kein Kampf mit nur einem Gewinner und nur einem Verlierer ist; vielmehr ist sie die Suche nach fairen Lösungen.

1.3

Wann immer es möglich ist, wird der Anwalt die Beteiligten zu einer ehrlichen Information und zu Offenheit in den Verhandlungen ermutigen.

1.4.

Der Anwalt wird sich einer Sprache bedienen, die konsensorientiert und deeskalierend ist sowie den Respekt vor der Sichtweise anderer Beteiligter zum Ausdruck bringt.  

In seinen Schriftsätzen wird er auf eine Wortwahl achten, die diese Aspekte berücksichtigt.

 

 

Beziehung zum Mandanten

2.1.

Der Anwalt wird eine Beziehung zu seinem Mandanten herstellen und unterhalten, die es ihm bei allem Respekt vor der Sichtweise des Mandanten erlaubt, die Unabhängigkeit seines Urteils zu bewahren. Er wird es vermeiden, so in eine Sache hineingezogen zu werden, dass seine persönlichen Gefühle die Unabhängigkeit seiner Entscheidungen gefährden.

2.2.

Der Anwalt wird die Potentiale und die Bereitschaft des Mandanten fördern, an einer Konfliktlösung mitzuarbeiten.

2.3.

Der Anwalt wird seinem Mandanten die Vorteile aufzeigen, die sich für die Familie aus einer außergerichtlichen Vermittlung im Gegensatz zu einer Austragung des Konflikts in einem Gerichtsverfahren ergeben. Auch während eines Gerichtsverfahrens wird der Mandant ermutigt, außergerichtliche Konfliktlösungsmodelle zu nutzen. Der Anwalt wird seinem Mandanten erklären, dass immer dann, wenn Kinder betroffen sind, die Verhaltensweise des Mandanten Auswirkungen auf die Familie als Ganzes und auf das Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern haben wird.

 

Verhandlungen mit anderen Anwälten

3.

Bei Verhandlungen mit anderen Anwälten wird der Anwalt stets Kollegialität zeigen. In geeigneten Fällen wird der Austausch von Schriftsätzen durch das direkte Gespräch ergänzt.

 

Kinder

4.1.

Bei allen Beratungen, Verhandlungen und Verfahren wird der Anwalt seinen Mandanten und den anderen Elternteil darin unterstützen, das Wohl der Kinder als ersten und wichtigsten Gesichtspunkt anzusehen. Dabei ist das Wohl des Kindes zu verstehen als die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen das Bedürfnis des Kindes nach Liebe sowie nach Versorgung, Schutz, Zuwendung, Förderung, Wertschätzung und nach Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit befriedigt wird, insbesondere das Bedürfnis nach einer unauflöslichen Eltern-Kind-Bindung. Der Anwalt wird seinem Mandanten behutsam, aber unmissverständlich vermitteln, dass es für die gesunde Entwicklung des Kindes unerlässlich ist, seine Bindung zu dem anderen Elternteil gutzuheißen.

4.2.

Der Anwalt wird im Auge behalten, dass die Interessen des Kindes nicht notwendig mit denen eines Elternteils übereinstimmen. In diesem Fall wird der Anwalt den Mandanten an seinen kindeswohlorientierten Arbeitsansatz erinnern. Er wird den Mandanten dahin führen und darin unterstützen, seine Haltung im Sinne des Kindes zu verändern.

4.3.

Wenn die Kindes- und Elterninteressen auseinanderfallen, wird der Anwalt in einem familiengerichtlichen Verfahren frühzeitig die Bestellung eines Verfahrenspflegers anregen.

4.4.

Der Anwalt hat die Bereitschaft, mit anderen am Konflikt beteiligten Professionen interdisziplinär zusammenzuarbeiten.

4.5.

Sorgerechts- und Umgangsfragen einerseits und finanzielle Regelungen andererseits werden von dem Anwalt strikt getrennt und in verschiedenen Schriftstücken behandelt.

 

Dieser Verhaltenscodex stellt eine Zusammenfassung von Zielen und Empfehlungen dar, nach denen sich im Familienrecht tätige Anwälte bei der Vertretung ihrer Mandanten richten wollen.

*Quelle: http://www.ak-cochem.de/