Der integrale Text der Botschaft von Priester Guy Gilbert während der kirchlichen Trauung von Laurent und Claire am 12.April 2003 in Brüssel

»Ihr wisst alle beide, Claire und Laurent, wie sehr ich die Kirche liebe. Ich bin froh, heute bei euch sein zu dürfen, mit Kardinal Danneels und seinen Priestern, um Zeuge eurer Liebe zu sein. Die Liebe, die du, Claire, Laurent schenkst.

Laurent, du bist das letzte Küken, das das Nest verlässt, nach Astrid und Philippe. Ich grüße deine liebe Mutter Paola und deinen Vater Albert und Astrid, die heute nicht hier sein kann. Im Herzen sind wir bei ihr, erwartet sie doch ein Kind. Ich grüße auch Philippe.

Claire, auch du verlässt das Nest. Ich grüße herzlich deine Eltern, Nicole und Nicholas. Und Joanna, und Matthew. Kardinal Danneels hat mir diese kleine Besinnung gestattet.

Ich möchte, dass die Familie das Herzstück in eurem Leben bleibt. Die Familie ist die kleinste Zelle, gleichzeitig auch die größte, die edelste, die älteste, die neuste. Ihr gründet sie heute, Claire und Laurent.

Ich sehe die Freundschaft, die alle Anwesenden teilen, um euch zu sagen, dass sie euch beide lieben. Bewahrt sorgsam diese eure Freunde. Neben eurer Familie sind sie das Größte, das ihr haben könnt. Wahre Freunde, die bleiben, wenn es mal nicht gut geht.

Danke für deine Freundschaft, Laurent. Sie hält schon sieben Jahre an. Deine Stiftung hat meiner Arbeit mit Straßenkindern einen Preis zuerkannt. Unglücklicherweise gibt es nicht nur französische Asphaltjugend. Das Geld war auch für die anderen, schlecht heranwachsenden Jugendlichen gedacht, die Belgier sind und die wir auf unserem Hof aufnehmen. Dort wurde unsere Freundschaft geboren.

Du bist dann selbst gekommen. Ich habe noch das Bild vor Augen und sehe den Prinzen, der die Wildschweine füttert und die Lamas streichelt. Du liebst so sehr alle Tiere dieser Schöpfung, vom Marienkäfer bis zum Elefanten. Diese Liebe zu den Tieren kannst du nun mit Claire teilen.

»Du warst bei uns ein Prinz, Laurent, weil du ihnen bescheiden und brüderlich gedient hast.« Ich wusste es zu schätzen, dass du meine Jugendlichen nicht verurteilst hast, nie gefragt hast, aus welchem Gefängnis sie kommen, was sie getan haben. Sie haben dich sehr gemocht. Königliche Hoheit: Diese Worte bedeuten ihnen nichts. Du warst bei uns ein Prinz, Laurent, weil du ihnen bescheiden und brüderlich gedient hast.

Claire, Laurent, das schönste Abenteuer der Welt ist die Liebe, die ihr euch in den Händen von Kardinal Danneels geschenkt habt. Und alle Anwesenden wissen das. Man kann alle Titel dieser Welt besitzen, alles Geld der Welt. Aber wenn wir die Liebe nicht haben, sind wir nichts.

Das schönste Abenteuer der Welt, Laurent und Claire, ist dieses Ja, das ihr euch gegeben habt. Es ist ein Kampf. Fragt Paola und Albert, fragt Nicholas und Nicole, ihr werdet sehen. Fragt Astrid und Lorenz, Philippe und Mathilde, Joanna und ihren Gatten. Fragt. Es ist ein Kampf, ein herrlicher, tagtäglicher Kampf. Und ihr werdet ihn gewinnen. Wir werden in 50 Jahren noch einmal darüber reden. Ich werde dann allerdings 127 Jahre alt sein.

Ihr werdet unter zwei Bedingungen gewinnen, Laurent und Claire. Während der Vorbereitung auf die Heirat, die wir zusammen gemacht haben, habe ich es euch bereits gesagt. Zunächst müsst ihr euch um einander kümmern. Ich höre oft Paare über Kinder reden. Ich sage, denkt zuerst an euch. Ich bin das dritte Kind aus einer armen Familie mit 15 Kindern. Die Liebe, die uns Vater und Mutter entgegenbrachten war schön, aber ihre gegenseitige Liebe war viel schöner.

Der Fels in eurem Leben wird die Liebe sein, die ihr einander schenkt. Als Priester schenke ich nur jene Liebe, die ich von einem Mann und einer Frau empfangen habe, von meinem Vater und von meiner Mutter. Von meiner Mutter, die vor wenigen Monaten in meinen Armen gestorben ist.

Euer Paar kommt an erster Stelle. Eure sozialen Verpflichtungen werden viel eurer Zeit beanspruchen und deine Arbeit als Vermessungsingenieurin ebenfalls, Claire. Aber eure Beziehung ist wichtiger. Liebt auch die Dinge, die euch von einander unterscheiden.

Und vergesst nie: Habt grenzenlos Respekt vor einander. Mit Respekt lässt sich die Liebe am schönsten ausrücken. Ich weiß, ihr habt beide ein großes Herz. Mögen eure Herzen für alle Freundschaften offen stehen. Und die Kleinsten sollten zuerst Zugang dazu erhalten. Dann werdet ihr, Laurent und Claire, wirklich Prinz und Prinzessin sein.

»Man kann alle Titel dieser Welt besitzen, alles Geld der Welt. Aber wenn wir die Liebe nicht haben, sind wir nichts.«

Und dann eure Kinder, sie werden der Morgenstern eures Lebens sein. Schenkt ihnen die Werte, die ihr von euren Eltern erhalten habt. Zuerst die strikt konfessionslosen, universellen Werte. Man muss nicht Christ sein, um Werte zu besitzen. Werte wie Respekt, Toleranz und die gegenseitige Liebe. Und schenkt ihnen die religiösen und moralischen Werte, die ihr als Kinder bekommen habt.

Liebt eure Kinder. Lasst euch nicht von eurer Arbeit auffressen. Die Liebe, die ihr ihnen - wenn sie noch klein und zerbrechlich sind - nicht gebt, könnt ihr nicht später schenken. Als Erzieher kann ich davon ein Lied singen.

»Man muss nicht Christ sein, um Werte zu besitzen. Werte wie Respekt, Toleranz und die gegenseitige Liebe.«

Die Medien bitte ich, der Liebe der beiden mit Respekt zu begegnen. Wertet die Liebe auf. Dieses Bild, das jetzt in die Herzen vieler Belgier übertragen wird. Wertet die Liebe auf, die Liebe des Herzens. Wertet die Treue auf. Zeigt mit Kamera und Mikrophon die Unermesslichkeit der Schönheit eines Menschen, seines Herzens, seines Leibes, aber seines Herzens zuerst.

Wertet das Kind auf, das im Leib der Mutter ruht, wie die Kinder, die Astrid und Mathilde erwarten. Dieses schwächste Glied des Lebens.

Aber denkt auch an die Alten, die der Tod ereilt. So viele Alte müssen heute alleine und verlassen in den Krankenhäusern sterben. Laurent und Claire, ich hoffe, dass ihr diese beiden Glieder in der Kette des Lebens aufwerten werdet: Das schlafende Menschlein im Bauch der Mutter und den sterbenden Alten.

Liebt euch ehrlich im Privatleben, denn ihr besitzt diese Liebe und das ist wichtig. Möge eure Liebe strahlend sein, wie Laserstrahlen; ihr steht in der Öffentlichkeit und euer Leben möge daher vorbildlich sein, Claire und Laurent.

Ihr habt für diese Messe sehr kurze Texte über die Liebe ausgewählt, wir haben sie zusammen ausgesucht. Vergesst nie - Kardinal Danneels hat es euch vorhin gesagt - nur die Liebe Gottes wird eure Liebe treu und ehrlich machen, nur die Macht des Sakraments, das ihr erhalten habt, wird euch die nötige Kraft geben.

Und noch ein kleiner Rat, ein großer Rat: Legt euch niemals schlafen, Claire und Laurent, ehe ihr euch nicht um Verzeihung gebeten habt. Ihr müsst das sagen können: Verzeihung, verzeih mir oder ich bitte dich um Verzeihung. So viele Paare haben sich getrennt, weil sie es nicht haben sagen können. Übt Tag für Tag Barmherzigkeit.

Euch, Brüder und Schwestern, hier und vor dem Bildschirm, widme ich diese schöne und tatsächliche Geschichte. Es ist eine der schönsten tatsächlichen Geschichten, die ich kenne. Ich widme sie euch, Paola und Albert, Nicole und Nicholas, Maria und Henri, allen Liebenden, allen die treu geblieben sind. Und ich widme sie allen hier in der Kirche, die getrennt, geschieden und wiederverheiratet sind. Wie viel Leid tragen doch so viele Menschen in der heutigen Welt mit sich herum. Euch allen widme ich diese Geschichte.

Es ist die Geschichte der weißen Halstücher. Ein Erwachsener, zwanzig Jahre alt, hatte auf unglaubliche Weise seine Eltern beschmutzt. Es wog so schwer, dass die Familie nicht darüber hinwegkam.

Der Vater sagte: »Jean, mach dass du wegkommst! Und komm hier niemals mehr zurück!« Jean ging fort, todunglücklich.

Einige Wochen später dachte Jean: »Ein Schuft bin ich gewesen. Ich gehe zu meinem Vater und bitte um Vergebung ...ja, ich sage ihm, dass es mir Leid tut.«

Aber er hatte Angst vor einem erneuten Rauswurf und so schrieb er seinem Vater einen Brief: »Papa, ich bin ein Schurke gewesen, jedoch frage ich dich, kannst du mir verzeihen? Ich schreibe keinen Absender auf den Umschlag, nein ... Aber wenn du mir verzeihst, hänge bitte an den letzten Apfelbaum der Baumreihe, die zum Haus führt, ein weißes Halstuch. Dadurch weiß ich, dass ich wieder nach Hause kommen darf.«

»Legt euch niemals schlafen, Claire und Laurent, ehe ihr euch nicht um Verzeihung gebeten haben. Ihr müsst das sagen können: Verzeihung, verzeih mir oder ich bitte dich um Verzeihung. So viele Paare haben sich getrennt, weil sie es nicht haben sagen können. Übt Tag für Tag Barmherzigkeit.«

Wenig später telefonierte er mit Marc, seinem Freund und Bruder und sagte: »Marc, ich bitte dich, begleite mich. Ich fahre den Wagen bis 500 Meter vom Haus. Dann übergebe ich dir das Steuer, damit ich die Augen schließen kann, während du langsam die Baumreihe entlang fährst. Wenn du dann anhältst und ein weißes Band im letzten Apfelbaum siehst, werde ich aussteigen und in Haus rennen. Wenn kein weißes Band am Apfelbaum hängt, lasse ich die Augen geschlossen und du fährst wieder weg. Dann werde ich nie mehr nach Hause kommen.«

Gesagt, getan. 500 Meter vor dem Haus übergibt Jean das Steuer an Marc und schließt seine Augen. Marc fährt langsam durch die Baumreihe und hält am letzten Apfelbaum an. Jean, seine Augen immer noch geschlossen, fragt: »Marc, ich bitte dich, hat Vater an den letzten Apfelbaum vor dem Haus das weiße Halstuch gehängt?«

Marc antwortete: »Nein, es hängt nicht ein weißes Tuch an dem Apfelbaum vor dem Haus... es hängen Hunderte Tücher an allen Apfelbäumen die zum Haus führen.«

Liebe Brüder und Schwestern. Möget ihr beim Verlassen der Kirche tausend weiße Halstücher in Euren Herzen tragen. Claire und Laurent, seid barmherzige Menschen. Seid alle Brüder und Schwestern, gleich welcher Religion oder Kultur ihr auch angehört. Unsere Welt hat enorme Not an Männer und Frauen, die erfüllt sind von Barmherzigkeit.

Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Moslems, Juden, Buddhisten, Atheisten, Agnostiker, seid barmherzige Menschen!

Danke, dass ihr gekommen seid, um hier in dieser Kathedrale zu sein, um die Liebe von Laurent und Claire zu feiern. Spendet den beiden ruhig einen warmen Applaus. Möge dieser Applaus euch, Claire und Laurent, Mut machen.

Euch allen sage ich: Lebt!

Ich liebe euch sehr, Laurent und Claire. God bless you."