Fachhochschule Koblenz

Fachbereich Sozialwesen

Studiengang Sozialarbeit

 

Diplomarbeit

 

Thema:

Kinder im Kontext von Trennung und
Scheidung - der präventive Ansatz aus familienzentrierter Sicht

 

Verfasserin:

Tanja Petry

 

Korrektorin

  1. Frau Prof. Dr. Füchsle-Vogt
  2. Frau Strohe

 

 

Datum:

10.03.2003

 

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung *

B. Hauptteil *

1. Familie *

1.1. Familie heute und Stellung des Kindes *

1.2. Historische Betrachtung der Familie und Stellung des Kindes *

1.3. Zusammenfassung *

2. Trennung und Scheidung *

2.1. Ursachen für Trennung und Scheidung *

2.2. Phasen der Trennung und Scheidung *

2.3. Modelle der Ehescheidung *

2.3.1. Desorganisationsmodell *

2.3.2. Reorganisationsmodell *

2.3.3. Transitionsmodell *

2.4. Veränderung der Familie nach Scheidung *

2.5. Zusammenfassung *

3. Die Reaktionen des Kindes auf Trennung und Scheidung *

3.1. Scheidung aus Sicht des Kindes *

3.2. Reaktionen des Kindes nach Alter und Entwicklungsstand *

3.2.1. Säuglingsalter *

3.2.2. Erstes bis drittes Lebensjahr *

3.2.3. Vorschulalter *

3.2.4. Grundschulalter *

3.2.5. Vorpubertät und Pubertät *

3.3. Reaktionen in einzelnen Trennungs- und Scheidungsphasen *

3.3.1. Ambivalenzphase *

3.3.2. Trennungsphase *

3.3.3. Scheidungsphase *

3.3.4. Nachscheidungsphase *

3.4. Geschlechtsspezifische Reaktionen *

3.5. Zusammenfassung *

4. Bewältigung und Verarbeitung von Trennung und Scheidung *

4.1. Schutz und Risikofaktoren *

4.2. Coping Strategien *

4.2.1. Aktive und defensive Strategien *

4.2.2. Einflussfaktoren *

4.3. Einflussmöglichkeiten der Eltern *

4.4. Zusammenfassung *

5. Gesetzliche Grundlagen, Institutionen und Hilfsangebote *

5.1. Jugendamt *

5.2. Vorschuleinrichtungen *

5.3. Schule *

5.4. Beratungsstellen *

5.5. Familienbildungsstätten *

5.6. Zusammenfassung *

6. Konzepte – eigene Ideen und Visionen *

6.1. Ziele *

6.2. Zielgruppe: Wer braucht Familienbildung? *

6.3. Arten der Familienbildung *

6.4. Merkmale der Familienbildung *

6.5. Ideen und Visionen präventiver Familienbildung *

C. Schlussbetrachtung *

D. Anlagen *

1. Inhalt *

2. Quellenverzeichnis *

3. Abkürzungsverzeichnis *

4. Tabellen *

5. Diagramme *

6. Adressenliste *

7. Erklärung..........................................................................................................

 

C. Schlussbetrachtung

Ziel meiner Arbeit war es, sinnvolle Angebote der Familienbildung im Bereich der Prävention von Trennung und Scheidung aufzuzeigen. Denn hier scheint die wirkungsvollste Möglichkeit zu liegen, nicht nur bereits existierende Probleme zu beheben, sondern deren Entstehung vorzubeugen.

Kinder benötigen ausreichend Hilfe und Information über die Ereignisse in der Gesellschaft, die durch Trennung und Scheidung bedingt sind. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie eigene, ausschließlich negativ gefärbte Bilder aufbauen und sich daran orientieren. Darin kann die Ursache für weitreichende Verlustängste begründet sein.

Kinder erleben Trennung und Scheidung als einen massiven Einschnitt in ihr Leben. Sie betrachten die elterliche Trennung aus einem anderen, konträren Blickwinkel. Die Gründe hierfür liegen in ihrem kognitiven Entwicklungstand begründet. Sie sehen sich als Verursacher der elterlichen Scheidungssituation und suchen die Schuld in ihrem Verhalten. An dieser Haltung lässt sich ablesen, wie wichtig es ist, dass Eltern ihren Kindern ausreichende Informationen zukommen lassen. Außerdem sollten sie über die zukünftigen Veränderungen in ihrem Lebensumfeld und deren Gründe aus erster Hand informiert werden.

Häufig besteht die Gefahr, dass die Eltern so in ihrer eigenen Problemlage verhaftet sind, dass sie keinen Blick für die Probleme der Kinder mehr entwickeln können. Es ist ihnen nicht möglich, entsprechend zu reagieren und auf sie einzugehen. Hier ist der wichtigste Ansatzpunkt für die primäre Arbeit der Eltern, aber auch mit ihnen, zu sehen. Sie müssen einen Blick für die kindlichen Ausdrucksformen von Enttäuschung und Wut bekommen, um entsprechenden Reaktionen zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt entgegenwirken zu können.

Dies sind die Fragen, die mich in meiner Arbeit dazu veranlasst haben, die Ursachen der kindlichen Problementwicklung sowie die kindlichen Reaktionen bei Trennung und Scheidung zu analysieren. Hierbei lag der Blick auf den familieninternen Ressourcen der Problembewältigung. Hierbei lag der Blick auf den familieninternen Ressourcen der Problembewältigung. Häufig ist den Eltern der Zugriff auf die nächstliegenden Hilfsmöglichkeiten, die in der eigenen Person begründet sind, nicht möglich oder nicht bewusst. In dieser Situation bedürfen Eltern der klärenden Unterstützung einer beratenden Institutionen. Um dieser "Reparatursituation" vorzubeugen, wird es zunehmend notwendig, den Ausbau der präventiven Maßnahmen in Angriff zu nehmen.

An der Arbeit mit Scheidungsfamilien sind unterschiedliche Institutionen beteiligt. Das sind in erster Linie die Jugendämter, die Familiengerichte, Beratungsstellen sowie niedergelassene Psychologen. Die Eltern finden in der ersten konfliktbelasteten Zeit der Trennung und Scheidung Unterstützung und Hilfe. Durch das neue Kindschaftsrecht hat das Kind, seit dem 1.1.1998, ein Recht auf den Umgang mit beiden Eltern, da in der Regel ein gemeinsames Sorgerecht existiert.

Der Zeitraum, der im Falle der Prävention Beachtung finden muss, liegt im Vorfeld der juristischen Scheidung. Die Konflikte der Eltern können hier massive Auswirkungen auf das Kind haben. Aus diesem Grund ist es wichtig, den Eltern ihre Stellung und Verpflichtung bewusst zu machen. Dazu können sie Unterstützung und Beratung nach §16 SGB VIII erhalten.

Da die bestehenden Konflikte der Eltern die größten Auswirkungen auf das Scheidungserleben des Kindes haben, versuchen die Fachkräfte der einzelnen Institutionen konfliktreduzierend auf sie einzuwirken. Die Hilfe kann durch institutionelle Beratungsgespräche erfolgen. Sie sind sowohl auf die Paarebene als auch auf die Elternebene gerichtet. Die Intention dieser Gespräche ist abhängig von der Phase, in der die Beratung in Anspruch genommen wird. In diesen Beratungen werden sie für die Sichtweise der Kinder, aber auch für deren Bedürfnisse und Reaktionen sensibilisiert.

Gesetzlich gesehen besitzen die Eltern einen Anspruch auf Beratung, aber sie ist nicht verpflichtend. In den USA ist es für Eltern Voraussetzung, an einem Elternprogramm teilzunehmen, bevor sie den Schritt der Trennung vollziehen. So kann bereits im Vorfeld versucht werden, Scheidungen vorzubeugen bzw. Probleme zu vermeiden oder zu mildern.

Bei meinen Recherchen und Befragungen in verschiedenen Institutionen der Jugendhilfe, wie Beratungsstellen, Jugendamt, Familienbildungsstätte, ist mir aufgefallen, dass in Deutschland ein großes Defizit an präventiven Maßnahmen besteht.

Im Rahmen meiner stichprobenhaften Erhebungen in stellvertretenden Institutionen ist mir aufgefallen, dass erheblicher Handlungsbedarf besteht.

In den oben aufgeführten Einrichtungen habe ich anhand meines Fragebogens Gespräche geführt, um herauszuarbeiten, welche Angebote bezüglich präventiver Maßnahmen dort bestehen. Zu diesen Einrichtungen zählte das Kreisjugendamt Neuwied, die Ehe-Familien- und Lebensberatungsstelle des Bistums Trier, die Ehe-, Familien- und Lebendberatungsstelle in Koblenz, das Diakonische Werk und die Familienbildungsstätte in Neuwied.

Anhand dieser Interviews wurde mir klar, dass in diesem Bereich noch sehr wenige Angebote vorhanden sind. Mir wurde immer wieder versichert, dass die Notwendigkeit zwar erkannt sei, aber die Angebote aufgrund von Personalmangel und des knappen Zeitbudgets nicht ausreichend durchgeführt werden können.

Aus diesem Grund wird im Bereich der Beratungsstellen für Scheidungskinder nur die bedarfsorientierte Durchführung der Kinder-Scheidungsgruppen angeboten.

Dadurch wurde mir deutlich, dass in den Beratungsstellen der Schwerpunkt auf der Beratung und Behandlung der Eltern liegt und nur in Ausnahmefällen die Kinder in die Beratung einbezogen werden.

Beim Jugendamt als intervenierende Institution, besteht keine Möglichkeit, neben den alltäglichen Aufgaben und der Beratungstätigkeit nach den Paragraphen des SGB VIII, besondere präventive Maßnahmen durchzuführen. Die Familienbildungsstätte in Neuwied führt ebenso keine speziellen Maßnahmen für betroffene Kinder oder Eltern durch. Hier sind auch die präventiven Angebote der Vorbereitung in den verschiedenen Phasen, Übergängen etc. nur eingeschränkt vorhanden. Im Bereich nach der Geburt und bis zum sechsten Lebensjahr konnte ich Angebote feststellen. Auch im Bereich der Freizeitgestaltung bzw. kreativen und musischen Angebote, wie Flötengruppen, Krabbelgruppen, etc. gibt es erste Ansätze. Aber bezüglich der Vorbereitung von Jugendlichen oder Eltern auf die Übergangsphasen, die für Krisen prädestiniert sind, waren keine Angebote verfügbar. Die Vernetzung der unterschiedlichen Institutionen ist vorhanden.

Meines Erachtens ist ein möglicher Ansatzpunkt, Kindern in ABM-Gruppenstunden die Möglichkeit zu geben, über ihre Erlebnisse in der Familie allgemein, oder gezielt über Trennung und Scheidung zu sprechen, damit eine positive Verarbeitung stattfinden kann. Ich denke die Ansatzpunkte der Kinderscheidungsgruppen können hier auch präventiv aufgegriffen werden.

Nur durch die Analyse der Ursachen und Bedingungen, unter denen die problematischen Situationen entstehen, ist eine gezielte Vorbeugung bzw. ein Gegensteuern möglich. Die Analyse bezieht sich auf die Verhaltenweisen der Betroffenen und lässt sich auf ihre gesellschaftlichen Bedingungen übertragen.

Ein großes Defizit besteht im Bekanntheitsgrad der einzelnen Maßnahmen und der durchführenden Stellen bzw. deren Image.

Hier liegt meines Erachtens eine große Ansatzmöglichkeit. Durch den Ausbau des Angebots der präventiven Arbeit ist es möglich, das Image der Stellen zu verbessern. Denn dann würden sie nicht mehr allein als Anlaufstelle für "problembelastete Gruppen" gelten. Ferner stellt dies einen Ansatzpunkt dar, der anfangs zeitintensiv ist, aber durch den langfristiger gesehen auch Zeit und Raum für andere Aktivitäten geschaffen werden kann. Wenn die Institutionen den Problemen weites gehend vorbeugen, sparen sie viel Zeit für die Behandlung.

Dabei ist natürlich zu beachten, dass man diese Probleme nicht kurzfristig abstellen kann, aber hier eröffnet sich eine Möglichkeit, die Fallhäufigkeit zu begrenzen.

Ein weiteres Problem liegt, wie bereits in meinen Recherchen benannt, in der Erreichbarkeit der Gruppen, die für die Präventionsmaßnahmen in Frage kommen. Die Attraktivität der Angebote muss gesteigert werden, die sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Bezugsgruppen orientieren sollten. So erscheint es sinnvoll, Angebote für die Paar- oder Ehevorbereitung in den Abendstunden oder am Wochenende anzubieten, da es hauptsächlich Berufstätige betrifft. Denn nur durch die Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen kann auch eine Teilnahme bzw. Mitarbeit erwartet werden. Dies ist eine Variante der Bedürfnisorientierung, aber eine nicht weniger wichtige Möglichkeit sehe ich in der flexiblen Gestaltung der Angebote. Des Weiteren ist die Vernetzung der Familienbildung mit anderen Institutionen sinnvoll. Schon in der Schule kann Familienbildung in Form eines Schulfaches erfolgen. Gruppentrainings mit den unterschiedlichsten Inhalten könnten in den Schulalltag integriert werden, wie es bereits in der USA vollzogen wird.

Abschließend lässt sich feststellen: Um die kostenintensiven Hilfsmaßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen zu minimieren, ist es sehr wichtig, dass dem Themenbereich der Prävention mehr politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit zukommt. Den nur so können langfristig gesehen Kosten in der Behandlung minimiert und langfristig zu einer "unproblematischeren" Gesellschaft beitragen

Vorbeugen ist meist besser und günstiger als Reparieren.