Elterliche Trennungsphasen:

Das kritische Lebensereignis nicht-normativer Art im Kindesalter

 

 

Diplomarbeit für die

Staatliche Abschlussprüfung

Studienfach Sozialarbeit

 

 

an der Katholischen Fachhochschule NRW

 

 

vorgelegt von

 

Mechthild Seifert

50937 Köln

am 29.08.1995

 

Erstkorrektorin

Ingrid Sitzenstuhl

Zweitkorrektorin

Prof. Hilde Trapmann

 

 

Mechthild Seifert heute:

Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin (Psychotherapie), Weiterbildung in systemischer Therapie und Soziotherapie. 2003 Beginn der Hakomi-Ausbildung in Körperorientierter Psychotherapie.

Arbeitet seit sechs Jahren mit chronisch psychisch kranken Menschen und seit 2003 zusätzlich in eigener Praxis in Remscheid.

 

 

 Elterliche Trennungsphasen:

Das kritische Lebensereignis nicht-normativer Art im Kindesalter

 

 

Inhalt

 

1 Einleitung *

2 Familie *

2.1 Verständnis von Familie *

2.2 Familienarten *

2.2.1 Ein-Eltern-Familie (Alleinerziehende) *

2.2.2 Die Stieffamilie *

2.2.3 Die Ersatzfamilie *

2.3 Gesellschaftliche und wissenschaftliche Sichtweisen von Familie *

2.3.1 Gesellschaftliche Sichtweisen *

2.3.2 Familie aus rechtlicher Sicht *

2.3.3 Wissenschaftliche Sichtweisen *

2.3.4 Familie aus der Sicht des Kindes *

2.4 Die Bedeutung der Familie für die kindliche Sozialisation *

3 Familiärer Lebenszyklus *

3.1 Die Querschnittdarstellung einer Familie *

3.2 Individueller Lebenszyklus - Eine Längsschnittdarstellung *

3.3 Familiärer Lebenszyklus - Eine Längsschnittdarstellung *

3.3.1 Die elterliche Trennung: Ein den familiären Lebenszyklus veränderndes kritisches Lebensereignis *

4 Veränderungen der familiären Lebensbedingungen *

4.1 Finanzielle und berufliche Situation *

4.2 Probleme in der Haushaltführung, bei der Kinderbetreuung und im Erziehungsverhaltens *

4.3 Probleme im emotionalen Bereich und bei der Pflege bzw. Aufrechterhaltung sozialer Kontakte *

4.4 Zerstörung der vertrauten ( traditionellen) Lebensform für das Kind *

5 Die elterliche Trennung: Auswirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehung und die kindliche Entwicklung *

5.1 Die Scheidungsphasen *

5.1.1 Die Vorscheidungsphase *

5.1.2 Die Scheidungsphase *

5.1.3 Die Nachscheidungsphase *

5.2 Die Eltern-Kind-Beziehung *

5.2.1 Die Eltern-Kind-Beziehung während der Scheidungsphase *

5.2.2 Die Beziehung zum anwesenden Elternteil *

5.2.3 Die Beziehung zum abwesenden (meist auch nicht sorgeberechtigten) Elternteil *

5.2.4 Vaterabwesenheit *

5.3 Die elterliche Trennung - Wie das Kind sie erlebt *

6 Reaktionen und Folgen des Trennungsgeschehens *

6.1 Kindliche Reaktionen auf die Trennung der Eltern *

6.1.1 Kurzfristige Reaktionen *

6.1.2 Alters- und geschlechtsspezifische Reaktionen *

6.2 Langfristige Folgen *

6.2.1 Spezifische und Unspezifische Langzeitfolgen *

6.2.2 Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes *

6.2.3 Zusammenfassung der Langzeitstudie von Wallerstein et.al. aus dem Jahre 1989 *

7 "11103 - Die Nummer gegen Kummer" *

7.1 Das Kinder- und Jugendtelefon *

7.2 Die Mitarbeiter des KJT *

7.3 Statistische Daten des KJT von 1992 *

7.4 Unveränderte Gesprächsprotokolle des KJT - Leverkusen *

7.5 Überlegungen zur Beratung am KJT *

8 Schlußwort *

9 Literaturverzeichnis *

 

 

 

 

  1. Schlußwort

 

In dieser Diplomarbeit wird deutlich, wie unterschiedlich und vielfältig die Reaktionen und Folgen für Kinder sein können, die von der elterlichen Trennung betroffen sind. Gefühle wie Trauer, Schuldgefühle und Ängste, die in dieser Zeit spürbar werden, beeinträchtigen die gesamte Persönlichkeitsentwicklung des Kindes in mehr oder minder starkem Ausmaß. Eine Bewältigung oder Verarbeitung dieses kritischen nicht-normativen Lebensereignisses ist im allgemeinen ohne problemgerechte Unterstützung schwierig. In dieser Phase benötigt das Kind Verständnis und die emotionale Solidarität beider Elternteile.

Nach der Trennung fühlen sich die meisten Mütter und Väter jedoch zunächst nicht (immer ) im Stande, das nötige Verständnis aufzubringen und/oder ihre elterlichen Pflichten zu erfüllen. Denn aufgrund der Neuorientierung der Familienmitglieder und der Neuorganisierung der Familienstruktur bleibt oftmals weder die Zeit noch die Kraft, sich angemessen um die Kinder zu kümmern., sowie adäquat auf deren Bedürfnisse einzugehen oder klare Linien im Erziehungsverhalten aufzuzeigen..

Die Eltern sind in dieser Zeit oft selbst nicht in der Lage, ihre eigenen Probleme zu bewältigen. In ihrer Hilflosigkeit und Überforderung neigen sie mitunter sogar dazu, die Situation der Kinder zu unterschätzen oder zu verkennen, was letztendlich wiederum dazu führt, daß Reaktionen des Kindes übersehen oder sogar verhindert werden. Dies trägt wiederum zu einer Beeinträchtigung der seelischen Verfassung des Kindes bei und wirkt sich negativ auf seine Entwicklung aus.

Die Chance, negative Auswirkungen der elterlichen Trennung auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder zu begrenzen oder vielleicht gar zu verhindern, ist grundsätzlich um so größer, je besser es den Eltern gelingt, ihnen die Fortsetzung einer intensiven Beziehung zu beiden Elternteilen, also zu Mutter und Vater zu ermöglichen. Die Verantwortung liegt jedoch nicht ausschließlich bei den Eltern.

In unserer Gesellschaft, wo die Trennung oder Scheidung der Eltern seit Jahren stetig zunehmen und die Ein-Eltern-Familie oder "unvollständige" Familie mittlerweile eine normale Sozialisatioserscheinung geworden ist, wird ihre spezifische Problematik immer noch nicht ernst genug genommen und entsprechend behandelt. Trotz aller Erkenntnisse besteht eine Diskrepanz zwischen dem Wissen über die Bedürfnisse der Kinder (und deren Eltern) und der Übernahme von Verantwortung. Denn auch die Gesellschaft, wir alle also, müssen uns den Folgen, die eine elterliche Trennung mit sich bringen kann, stellen und adäquat handeln. Es reicht dabei z.B. nicht aus, den betroffenen Eltern zu sagen wie sie die Besuchskontakte oder die Unterhaltsansprüche regeln können.

Vielmehr sollten Beratung und Unterstützung für die Familien, Eltern und Kindern, nach der Trennung thematisch und zeitlich ausgedehnt und fortgesetzt werden. Man muß die Eltern während der Trennung über die speziellen Probleme aufklären, um sie so auf mögliche Folgen und Auswirkungen, die so ein Schritt auch für das Kind mit sich bringen kann, vorzubereiten. Man muß die gesamte Familie nach dem Entschluß für eine Trennung unterstützen, damit sie von allen so gut wie möglich bewältigt werden kann und alle eine neue Lebensform entwickeln können. Im Idealfall ist so weiterhin gemeinsame Elternschaft möglich. Alle Betroffenen benötigen dafür unterschiedlich viel Zeit, um die Trennung auch rücksichtsvoll und für alle zufriedenstellend in die Tat umzusetzen. Eine Familie, d.h. "zwei Erwachsene unterschiedlichen Geschlechts die für Kinder eine Elternrolle spielen", braucht universell verfügbare Vermittlungsdienste....

Die Zukunft unserer Gesellschaft liegt in den Händen der Kinder. Es liegt folglich nahe, das die Gesellschaft den Kindern und damit dem gesamten Familiensystem in dieser schwierigen Zeit hilft mit ihren spezifischen Lebensaufgaben und ihrer Last fertig zu werden. Die Kinder sind sich, so Wallerstein et.al., der schweren Last "die auf ihre schmalen Schultern geladen wurde" bewußt.

"Als der sechsjährige John kurz nach der Scheidung seiner Eltern zu uns ins Zentrum kam, murmelte er nur: 'Ich weiß nicht.' Er beantwortete keine Frage, sondern beschäftigte sich nur mit seinen Spielen: Zuerst suchte er den ganzen Spielraum nach Puppenbabys ab. Als er genügend zusammen hatte, stellte er die Puppenbabys fest auf die Füße und häufte dann miniaturtische Stühle, Betten und schließlich das gesamte Mobiliar des Puppenhauses auf ihre Köpfe. Dann sah John mich zufrieden an. Die Babys trugen die Last ... Anschließend setzte John wortlos die Puppenmütter und Puppenväter in gefährlichen Positionen auf das steile Dach des Puppenhauses. Als ein Puppen-Vater herunterrutschte, fing John ihn auf und sagte zu mir: 'Er hätte tot sein können.' Als die Puppenmütter und Puppenväter nacheinander das Dach hinunterrutschten, fing John sie alle vorsichtig auf.

'Sind die Babys die stärksten?' fragte ich ihn.

'Ja', rief John aufgeregt, 'die Babys halten die Welt zusammen.'"